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Ein Aquarium funktioniert nicht mit Boden, Wasser, Pflanze, Fisch und Futter. Nein es gehören eine Menge von Mikroorganismen dazu, vor allem viele verschiedene Bakterien.

Um dieses zu verstehen, muß man sich kurz mit dem Stickstoffkreislauf beschäftigen. Stickstoff (N2) kommt mit etwa 70 % in der Atmosphäre vor, dieser atmosphärische Stickstoff spielt in biologischen Systemen eine untergeordnete Rolle. Stickstoff ist aber auch Bestandteil viele organischer Stoffe im Tier- und Pflanzenkörper, hier kommt er vorzugsweise ein Eiweißen, Nukleinsäuren (DNA und andere) sowie eine Reihe weiterer Substanzen vor. Dieser organisch gebundene Stickstoff befindet sich in der Natur sowie im Aquarium in einem Kreislauf.

Verkürzt: Fische fressen stickstoffhaltige Nahrung, sie scheiden überflüssigen Stickstoff als Ammonium aus, dieses wird von Bakterien zu Nitrit umgewandelt, das Nitrit wiederum wird von anderen Bakterien zu Nitrat umgewandelt, diese wiederum nehmen Pflanzen auf und bauen es in ihre Körpersubstanz ein und wachsen dadurch. Ganz verkürzt und vereinfacht.

Im Detail geht es sich hauptsächlich um die Eiweiße. Eiweiße sind langkettige Substanzen, die aus vielen Bausteinen, den sogenannten Aminosäuren bestehen. Die Aminosäuren haben folgenden Grundbauplan:

HOOC-CHR-NHH

mit

N = Stickstoff
C = Kohlenstoff
O = Sauerstoff
H = Wasserstoff
R = Reste, die je nach Aminosäure unterschiedlich sind

Fressen nun Fische Proteine, die in jeder Nahrung drin sind, können sie einen Teil der Aminosäuren direkt verwerten, einen anderen Teil nicht. Dieser andere Teil belastet den Tierkörper und wird daher umgebaut und nach Möglichkeit ausgeschieden, wobei es verschiedene Substanzen gibt, die Stickstoff enthalten und ausgeschieden werden:

Ammonium = NH4+ (bei wasserlebenden Tieren)
Harnstoff bei landlebenden Tiere, die keinen Wassermangel haben (z.B. Säugetiere)
Harnsäure bei landlebenden Tieren, die unter Wassermangel leben müssen (Vögel, Reptilien)

Wenn wir uns auf die Fische, also wasserlebende Tiere beschränken, müssen wir uns also mit dem Ammonium beschäftigen. Ammonium selber ist eine ungiftige Substanz, aber je nach Säurewert (pH Wert) wird das Ammonium unter Umständen in eine sehr giftige Substanz umgewandelt, das Ammoniak. vereinfacht

pH Wert > 7 = Ammoniak
pH Wert < 7 = ammonium

Diese Unwägbarkeit, wann welcher Stoff vorliegt und giftig wirkt oder nicht, bringt eine Instabilität in das Biotop Aquarium wie auch jedes natürliche Gewässer. Um diese zu verhindern, hat die Natur Organismen entwickelt, die diese Substanz abfangen und umwandeln. Es handelt sich um die Bakterien der Gattung Nitrosomonas. Nitrosomonas nimmt Ammonium/Ammoniak (NH4+ oder NH3) auf und wandelt es in Nitrit (NO2-) um.

Nitrit ist aber ebenfalls giftig für Fische, daher gibt es weitere Bakterien aus der Gattung Nitrospira u.a., die Nitrit aufnehmen. Diese nehmen Nitrit (NO2-) auf und wandeln es in Nitrat (NO3-) um.

Nitrat ist vergleichsweise ungiftig.

Zusammengefaßt:

Eiweiß -> Aminosäure -> Ammonium/Ammoniak -> Nitrit -> Nitrat.

Alle drei Produkte (Ammonium, Nitrit und Nitrat) sind pflanzenverwertbare Stoffe, d.h. Pflanzen nehmen diese auf und bauen daraus wieder Eiweiße.

Für das Aquarium bedeutet das, daß das Aquarium nur funktioniert, wenn ausreichende Mengen der Ammonium abbauenden Bakterien der Gattungen Nitrosomonas und Nitrosococcus sowie der nitritabbauenden Bakterien der Gattungen Nitrobacter, Nitrococcus, Nitrospina und Nitrospira. Nitrobacter als landläufig wohl bekannteste Gattung spielt als nitritoxidierendes Bakterium eine eher untergeordnete Rolle. Im Filterschlamm des Aquarium scheinen Arten der Gattung Nitrospira zu dominieren. Insgesamt leben die Bakterien der Stickstoffkette leben vorzugsweise substratgebunden im Filter, im Boden und in sog. Biofilmen auf Pflanzen, Dekorationen etc.

Wenn das alles so einfach ist, warum gibt es dann den Nitritpeak ?

Dazu muß man sich ein neu eingerichtetes Aquarium vorstellen. Man geht ins Geschäft, kauft sich Becken, Abdeckung, Boden, Pflanzen und richtet das Becken dann ein. In diesem Becken sind erstmal nur ganz wenige dieser Bakterien, die man vor allem mit den Pflanzen eingebracht hat. Die Bakterien müssen sich jetzt erst mal akklimatisieren, sie müssen neue Substrate finden und sie brauchen ausreichend Nahrung, um überhaupt wachsen und gedeihen zu können.

Nahrung finden sie auch in fischlosen Becken, zwar wenig, aber immerhin. Es zerfallen Pflanzenwurzeln oder auch das ein oder andere Pflanzenblatt, meist schleppt man sich die ein oder andere Schnecke ein, die ebenfalls frißt und Ammonium ausscheidet.

D.h. Ammonium/Ammoniak kommt schon kurz nach der Einrichtung in geringen Spuren vor. Auf dieser Nahrungsbasis können dann die Bakterien der Gattung Nitrosomonas anfangen zu wachsen, für sie ist Nahrung da, nicht aber Bakterien der nitrit abbauenden Gattungen wie Nitrospira (die brauchen Nitrit), für sie ist noch keine Nahrung da. Das Ergebnis ist, daß die erstgenannte Gattung wächst und gedeiht, die zweitgenannte Gattung aber noch stagniert. Als Endprodukt scheiden die Nitrosomonas Bakterien nun Nitrit aus, welches erst mal im Wasser bleibt und meßbar wird - das ist der Nitritpeak. Erst wenn Nitrit in ausreichender Menge vorhanden ist, entwickeln sich nun auch die nitrit abbauenden Bakterien, nehmen dann Nitrit auf und wandeln es unter Wachstum in Nitrat um -> der Nitritpeak verschwindet.

In der Konsequenz in der zeitlichen Reihenfolge:

1. Es fällt durch Zersetzungsvorgänge und Tierausscheidungen Ammonium/Ammoniak an.

2. Nitrosomonas und Nitrosococcus Bakterien fangen an zu gedeihen, nehmen Ammoniak/Ammonium auf.

3. Sie scheiden dann Nitrit aus.

4. Nitrococcus, Nitrospina, Nitrospira und seltener Nitrobacter Bakterien fangen an zu gedeihen, nehmen Nitrit auf.

5. Sie scheiden Nitrat aus.

6. Pflanzen, wenn sie gut wachsen, nehmen alle drei Substanzen auf.

Diese Entwicklungsreihenfolge der Bakterien ist unumgänglich, d.h. sie tritt zwingend bei jeder Beckenneueinrichtung auf. Daraus folgt aber auch, daß der Nitritpeak unvermeidlich ist und ebenfalls immer auftritt. Was man nicht voraussagen kann ist, wann genau der Peak auftritt und wie hoch er ausfällt, das ist von Becken zu Becken sehr unterschiedlich. Eigene Messungen an mehreren neu eingerichteten Becken zeigten, daß der

Nitritpeak zwischen der 2. und 5. Woche der Laufzeit eines Aquarium auftritt.

Erst danach kann man mit dem Fischbesatz beginnen.

Achtung: Aus dem Gesagten, daß sich die Bakterien an die jeweilige Wassersituation, also auch an den Fischbesatz anpassen müssen und dort ein Zeitversatz der Reaktion erfolgt, ergibt sich auch, daß in eingelaufenen AQ bei plötzlichen starken Besatzzunahmen an Fischen selbst später Nitritpeaks auftreten - ebenfalls aus eigener Erfahrung. Daher den Besatz nie schlagartig erhöhen, sondern den geplanten Fischbesatz sowohl bei neuen Becken, als auch bei eingelaufenen Becken nur langsam anpassen.

Anzeichen einer Nitritvergiftung:

1. Schnelle Atmung,

2. Hängen der Tiere an der Wasseroberfläche trotz Belüftung des Beckens oder spritzender Filtereinlauf.

3. Plötzliches symptomloses Versterben von Fischen, manchmal kommt es im Vorfeld des Todes zu Orientierungsstörungen, d.h. die Tiere schwanken im Wasser, drehen sich um die eigene Achse etc.

Die schnelle Atmung und das Hängen an der Wasseroberfläche bei ausreichend sauerstoffversorgten Becken ist ein direkter Hinweis auf eine Vergiftung, meist ist es Nitrit, seltener kommen noch andere Substanzen in Frage.

Was tun, wenn nun in einem Becken schon Fische sind und der Nitritpeak kommt:

1. Ruhe bewahren.

2. Sofortmaßnahme 50 % des Wassers wechseln.

3. Nitrit messen, mindestens zweimal täglich. Steigt der Wert über etwa 0,5 mg/l,

4. 50 % Wasser wechseln.

Je nach Höhe des Nitritwertes, sind auch deutlich größere Wasserwechsel denkbar. Bei Nitritwerten von 1,6 mg/l muß man schon 75 % auf einmal wechseln.

5. Der Nitritpeak dauert im Schnitt nach eigenen Messungen etwa 1 Woche.

Danach sinkt der Nitritwert plötzlich, weil dann die Nitrospira u.a. Bakterien ausreichend vorhanden sind, um das Nitrit in Nitrat umzubauen. Sinkt der Nitritwert nicht nach etwa 1 Woche, liegen weitere Probleme im Becken vor, denen man sich zuwenden muß. Das ist aber eher selten der Fall.

Das Wasserwechseln drückt den Nitritwert durch Verdünnung immer, da im Leitungswasser Nitrit nur in minimalsten Spuren enthalten sein darf, da es auch für Menschen giftig ist.

Oft kommt das Argument, daß man durch die Wasserwechsel die Bakterienmenge reduziert. Das ist falsch oder zumindest verzerrt. Die betroffenen Bakterien leben auf Substraten fest angeheftet, sie flottieren also nicht im Wasser. Insofern senkt ein großer Wasserwechsel die Gesamtpopulation nicht oder nur in vernachlässigbaren Größen.

Was ist mit Bakterienstarter ?

Ich habe die noch nie verwendet, kann daher nicht aus eigener Erfahrung sprechen. Berichte hier und in anderen Foren zeigen, daß sie funktionieren und das sie nicht funktionieren. Beides kommt vor. Warum, ist schwierig zu sagen, ob die einzelnen Produkte unterschiedlich sind oder die Konzentrationen der Bakterien unterschiedlich sind oder die Produkte vielleicht überlagert sind.

In der Konsequenz heißt daß, man verlasse sich nie nur auf Bakterienstarter, und das auch aus einem anderen Grund.

Die Bakterien, um die es hier geht, leben substratgebunden, d.h. wenn wir sie aus einer Flasche ins Becken schütten, müssen sie erst mal ein geeignetes Substrat finden, sich anheften und dann erst können sie mit ihrem Stoffwechsel und der Vermehrung beginnen. Auch dies benötigt Zeit. Manche Hersteller geben 24 Stunden an, mir persönlich scheint das eine zu unsichere Angabe zu sein, weil eben die AQ sehr, sehr unterschiedlich sind. Mal mag es klappen, mal nicht.........

Copyright R. Rombach (2001 - 2008)

Anmerkung: Der Text wurde ursprünglich am 27.11.2001 vom Autor im Zierfisch-Forum publiziert. Mehrfach überarbeitet und korrigiert.

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