Scalare-Online e.V.Was ist ein Schwarmfisch ?Immer wieder taucht in Publikationen der Hinweis auf, diese oder jene Fischart sei ein Schwarmfisch oder ein Gruppenfisch. Dabei ist in den seltensten Fällen wirklich klar ersichtlich, was konkret ein Schwarmfisch oder ein sozial lebender Fisch ist. Aus der newsgroup de.rec.tiere.aquaristik stammt vom Autor folgender Artikel, der erweitert und ergänzt wurde: Dr. Harald Steinert beschreibt am Beispiel des Herings, was einen Schwarmfisch charakterisiert. Dieser Text sei vorab wiedergegeben (Anm.: die ursprüngliche Quelle ist derzeit nicht mehr online, sie fand sich unter http://www.ecoscope.com/dfd.htm#hering) Zitat:Im Schwarm schwimmende Fische leben in einer Art Super-Organismus, der ihnen bei der Orientierung, bei der Suche nach Nahrung oder guten Umweltbedingungen und bei anderen Lebenstätigkeiten Nutzen bringt. Dass das zumindest für die Heringe gilt, haben Untersuchungen im Nord-Ostsee-Kanal gezeigt. Warum der Hering nicht alleine schwimmt. In der Meereswelt ist die Tendenz zur Schwarmbildung weit verbreitet: Viele vor allem im Freiwasser lebende Arten wie Hering oder Sprott bilden Schwärme, in denen die Tiere im gleichen Abstand zu den Nachbarn in gleicher Richtung schwimmen, wenden oder Hindernissen ausweichen. Auf den ersten Blick scheint die Schwarmbildung mit Nachteilen verbunden. Beispielsweise muss der Schwarmfisch Futter, das er entdeckt, mit den Nachbarn teilen. Doch gibt es auch eine Reihe anerkannter oder von der Wissenschaft vermuteter Vorteile: Im Schwarm werden Räuber besser vermieden, wie sich aus rein statistischen Wahrscheinlichkeitsrechnungen über die Verteilung von Einzeltieren und Schwärmen nachweisen läßt. In der Laichzeit treffen die Fische leicht Geschlechtspartner, in Jungfischschwärmen lernen die Tiere von den Nachbarn. Außerdem hat das Schwimmen im Verband mit festgelegten Abständen wahrscheinlich Vorteile im Sinne eines herabgesetzten Strömungswiderstandes und spart so Energie. Damit ist jedoch die Schwarmbildung noch nicht erklärt; die Erkenntnisse des Fischereibiologen Dr. Uwe Kils vom Institut für Meereskunde an der Universität Kiel, die er vor allem bei der Beobachtung von Heringen gemacht hat, lassen hier allerdings auf neue Einblicke in dieses Phänomen hoffen. Heringe bleiben lebenslang im Schwarm. Ein einzelner Hering, den man von seinem Schwarm getrennt hat, wirkt verstört und desorientiert. Dieser typische Schwarmfisch besucht in jedem Frühjahr die Kieler Förde zum Laichen am Ufer und im weniger salzhaltigen Brackwasser. Ein großer Teil der Schwärme versucht in den größten Brackwasserstrom der Förde, den Nord-Ostsee-Kanal, einzudringen. Dies sind vermutlich Tiere, die im Kanal aus dem Ei schlüpften und die zum Laichen ihren Geburtsort wieder aufsuchen, vielleicht geleitet durch typische Geschmacksstoffe des Kanalwassers. Doch ist auch denkbar, daß die Tiere nur dem Gefälle des Salzgehalts folgen, das durch 0,8 Prozent Salz im Kanalwasser gegenüber weit mehr als einem Prozent in der Kieler Förde vorgegeben ist. Auf alle Fälle überwinden die Schwärme die Kanalschleusen über ein neben ihnen liegendes, etwa 40 Meter breites und sechs bis acht Meter tiefes Siel, das Wasserüberschuß aus dem Kanal in die Förde ableitet. Dieses Siel, in dem die Fische von den Bewegungen der Schleusen ungestört bleiben, erkannte Kils als ideales Meß1abor zur Beobachtung der Schwärme der Frühjahrslaicher. Eine große schwimmende Meßinsel, ausgerüstet mit Bodenfenstern, Meßsonden aller Art und Rechenanlagen, wurde in diesem Siel verankert. An den Ufern des Siels wurden Ultraschallanlagen angebracht, die die Schwärme vor der Ankunft unter der Meßinsel erfassen und so geschaltet sind, daß sie die Geschwindigkeit des Schwarms ermitteln. Mit einer Kamera mit Lichtverstärker werden die Schwärme gefilmt, ein Laserstrahlen-Netz erlaubt es, die Größe der Tiere zu messen. Außerdem entwickelte der Heringsforscher ein Meßprogramm, mit dem sich die einzelnen Tiere eines Schwarms erkennen und von anderen Fischen unterscheiden lassen. Mit dieser Identifikation bestätigten sich zum Beispiel Beobachtungen von Fischern, daß den Heringsschwärmen ein oder zwei Dorsche folgen, verhältnismäßig große Raubfische, die zwar nicht in den Schwarm eindringen, weil der ihnen dann vor den Zähnen auseinanderstieben würde, die aber vermutlich kranke und zurückbleibende Heringe erbeuten. Bisher sind etwa 50 Heringsschwärme mit bis zu 20 000 Tieren je Schwarm in die Ultraschall-Laser-Licht-Meßnetze gegangen und haben ihre Spuren auf den Filmen und in den Datenspeichern der Meßinsel hinterlassen. Die Messungen lassen deutlich erkennen, wie ein solcher Schwarm aufgebaut ist. So beträgt der Abstand zwischen den Tieren jeweils etwa eine Körperlange, und die Geschwindigkeit des Schwarms liegt bei mindestens zwei bis drei Körperlängen pro Sekunde und damit deutlich höher, als man bisher annahm. Bei erwachsenen Heringen bedeutet das größenordnungsmäßig eine Schwarmgeschwindigkeit von mehreren Kilometern pro Stunde. Beim Schwimmen hält der Schwarm einen gleichbleibenden Abstand von Hindernissen in der Großenordnung der jeweiligen Sichtweite im Wasser, eine Beobachtung, die Taucher immer wieder machen, wenn sie einen Schwarm kreuzen: Dann öffnet sich vor ihnen eine Gasse, deren Breite mit der Sichtweite im Wasser zunimmt. Noch interessanter als diese Einzeldaten sind aber die Beobachtungen über die Bewegungen eines ganzen Schwarms: Er verhält sich wie eine einheitlich gelenkte Masse. So sucht ein Heringsschwarm beispielsweise stets die Kanalwasserausströmung auf, die ihn in sein Laichgebiet führt und die für ihn irgendwie "markiert" ist, und zwar auch dann, wenn er mit hohem Energieaufwand gegen sie anschwimmen muß, obwohl ihm zugleich eine andere Strömung einen bequemeren Weg bieten würde. Ein Schwarm ist auch in der Lage, am Ufer auf gleicher Tiefe über dem Grund entlangzuschwimmen - eine Leistung, die einem Einzeltier unmöglich ist. Als man bei den Experimenten in der Kanalmündung auf einem solchen "Tiefenlinienweg" durch das Ausbaggern von Löchern zusätzliche Hindernisse anlegte, zeigte sich, daß hier nur die ersten Fische eines Schwarms diese neuen Umwege in die Tiefe einschlugen, die folgenden Tiere sie aber mehr und mehr mieden, bis der Schwarm schließ1ich einfach über sie hinwegzog. Diese und andere Beobachtungen führen zu der Erkenntnis, daß ein Heringsschwarm nicht nur aus aufällig nebeneinander schwimmenden Einzelfischen besteht, sondern eine Art zusammenhängenden Organismus bildet, in dem Erfahrungen ausgetauscht werden. Die Sinnesorgane aller Einzeltiere liefern Informationen für das Verhalten des gesamten Schwarms. Er ist also eine Art Super-Organismus, durch den sich das verhaltnismäßig kleine Einzeltier sozusagen vervielfacht und auf diese Weise sein Verhalten bestmöglich abstimmt. Das ist allerdings nur dann möglich, wenn sich die Tiere gegenseitig verständigen und Erfahrungen austauschen können. Diese Kommunikationstechniken glaubt der Kieler Fischereibiologe entdeckt zu haben; sie gründen auf Verhaltensmerkmalen, die im einzelnen noch untersucht und bestätigt werden müssen. Auf jeden Fall hat das Leben in einem solchen Super-Organismus für einen Hering oder ein anderes Schwarm-Tier so entscheidende Vorteile, daß die Schwarmangehörigen ein Alleinleben ängstlich zu vermeiden suchen. Dr. Harald Steinert Zitat Ende. Definition eines SchwarmfischesSchwarmfische sind also durch eine klare Faktoren gekennzeichnet, darunter Während einige Punkte sich zwangsläufig ergeben, sind andere erläuterungsbedürftig. Konstanter Individualabstand Der konstante Individualabstand spielt bei "echten" Schwarmfischen eine wichtige Rolle. Er ist für effektive Reaktionszeiten der Individuen und wohl vermutlich auch für energiesparendes Verhalten erforderlich. Dabei heißt konstanter Abstand nicht, daß er genau auf den cm definiert ist, sondern sich eher in einem relativ engen Band, welches in etwa die einfache Körperlänge der Tiere beim Hering ausmacht, bewegt. Desorientierung isolierter Tiere Ein sehr wichtiger Punkt ist die Desorientierung isolierter Tiere. Vereinzelte Individuen stehen unter einem sehr hohen Feinddruck, d.h. die Gefahr des Erbeutet werdens ist bezogen auf das Individuum erheblich höher, als wenn es sich im Schwarm bewegt. Isolierte Schwarmfische stehen daher unter einem enormen Streß, der sich auch im Verhalten der Tiere bis hin zur Desorientierung oder panischen Verhaltensweisen ausdrückt. Dabei ist nicht die konkrete Anwesenheit eines Freßfeindes Auslöser des Verhalten, sondern der Schwarmfisch muß merken, daß er sich nicht im Schwarm befindet, also die alleinige Isolation von einem Schwarm ist schon der Stressfaktor. Durch diese Abhängigkeit verringert sich die Gefahr des Einzeltieres, isoliert zu werden. Es wird alles daran setzen, den schützenden Schwarm schon gar nicht zu verlassen. Vermutlich wird dieses Verhalten durch Hormone gesteuert und ist damit ein graduelles, physiologisch sehr fein reagierendes Kontrollsystem. Im Schwarm bedeutet dieses, daß die randlichen Individuen per se einem höheren Streß ausgesetzt sind als die Tiere, die sich zentral im Schwarm befinden. Gleichzeitig verursacht dieser höhere Streß die engere Bindung der randlichen Tiere an den Schwarm. Koordinierte Bewegung Ein ganz wichtiger Punkt ist die Koordinierung der Bewegung eines Schwarmes. Als "Superorganismus" haben sich die Einzeltiere dem Verhalten des Schwarmes unterzuordnen. Nach außen vor allem bezogen auf Feindorganismen, hat der Schwarm als Ganzes und einheitlich zu reagieren. Dies setzt feine Abstimmungen des Schwimmverhaltens des Schwarmes und damit jedes einzelnen Individuums voraus. Die feinen Abstimmungen zwingen wiederum die Tiere zu einer Kommunikation, womit zur nächsten, wichtigen Voraussetzung eines Schwarmes übergeleitet wird. Kommunikation Die Kommunikation der Tiere im Schwarm ist für die koordinierten Verhaltensleistungen des Schwarmes eine zwingende Voraussetzung. Allerdings wird es gerade hier schwer festzulegen, was die Kommunikation tatsächlich ist, d.h. auf welchen Sinnesleistungen und welchen physiologischen Grundlagen sie basieren. Hierzu gibt es eine ganze Reihe von Hypothesen, Beobachtungen, bisher allerdings nur wenig konkrete untersuchungen. Dazu noch mal Zitat aus dem Text von Dr. Harald Steinert: "Diese Kommunikationstechniken glaubt der Kieler Fischereibiologe entdeckt zu haben; sie gründen auf Verhaltensmerkmalen, die im einzelnen noch untersucht und bestätigt werden müssen." Beim Hering handelt es sich also vermutlich um Verhaltensmerkmale, also wie sich Tiere im Raum bewegen, damit wird der Informationsübertragung über Wellen im Wasser, die mit dem Seitenlinienorgan aufgenommen werden, evtl. die entscheidende Rolle zugewiesen. Dies muß nicht bei allen schwarmbildenden Tieren gleichfalls der Fall sein, es gibt andere Signalmuster. So haben die Rotkopf- und Rotmaulsalmler (P. georgiae, H. bleheri, H. rhodostomus) ein auffallend schwarz-weiß gestreiftes Zeichnungsmuster in der Schwanzflosse. Interessanterweise findet sich dieses Zeichnungsmuster bei schwarmbildenden Fischen aus ganz anderen Verwandtschaftskreisen wieder, beispielsweise dem Dreilinienbärbling (Rasbora trilineata), es handelt sich dabei mitnichten um Zufälle oder Spielarten der Evolution, sondern um konvergente Entwicklungen ähnlich oder gleichartig funktionierender Signalgeber. Bei anderen Fischen wie den Keilfleckbärblingen aus der Gattung Trigonostigma sind es andere Signalgeber, hier konkret der schwarze Keil in der hinteren Körperhälfte. Hier zeigen sich dann auch Unterschiede zum Hering, beim Hering sind es evtl. komplexere Verhaltensweisen, die abgestuft auf die anderen Mitglieder des Schwarmes übertragen werden, bei den genannten Salmlern und Bärblingen hingegen sind es konstante Merkmale, die nicht graduell abgestuft sind oder werden können. Lebenslange Orientierung Der letzte wichtige Punkt für einen Schwarmfisch ist die lebenslange Orientierung im und am Schwarm. Er ergibt sich zwanglos aus der Desorintierung isolierter Tiere, da indivudelle Isolation die Tiere unter Streß setzt und sie ihr Verhalten darauf ausrichten, sich einem Schwarm wieder anzuschließen. Alle Lebensäußerungen der Tiere sind auf den Schwarm fokussiert. Aufgrund des Stresse, den isolierte Tiere ausgesetzt sind, ist die Fortpflanzung ebenso zwingend auf den Schwarm angewiesen wie die Nahrungsaufnahme, auch wenn letztere auf den ersten Blick für das Individuum uneffektiver ist, da die Chance des Einzeltieres ausreichend Nahrung zu erlangen geringer wird. Echte Schwarmtiere laichen dann auch im Schwarm oder zumindest aus dem Schwarm heraus, es kommt also nicht zur isolation von fortpflanzungswilligen Paaren. Auch hier gibt es zahlreiche graduelle Abstufungen zwischen echten schwarmbildenden Tieren und Arten, die zeitweise oder bei Vorhandensein entsprechender Anzahlen Schwärme bilden. Letztere zeigen, wie schon zuvor beschrieben, nicht die Desorientierung isolierter Individuen, sondern es kommt bei ihnen zur Ausbildung anderer Verhaltensweisen, die bis zur Territorialität reichen können. Ethologische EinordnungEs sind bei weitem nicht alle, sondern eher wenige Fischarten als Schwarmfische im engeren Sinne der Definition zu betrachten. Die Schwarmfische stellen sozusagen einen Eckpunkt in der sozialen Organisation der Tiere dar. Der Gegenpol wären als Einzeltier oder als Paar territoriale Arten. Zwischen diesen beiden Eckpolen ordnen sich die Fische in ihrer sozialen Organisation ein. Dabei läßt sich ein Schema wie folgt entwerfen: "Echte" Schwarmfische Auf die echten Schwarmfische treffen grundsätzlich alle vorgenannten Bedingungen der engen Definition zu. Danach gibt es vergleichsweise weniger echte Schwarmfische, zu denen der Hering, aber auch andere Fischarten der freien Meere gehören. Im Süßwasser sind echte Schwarmfisch eher selten anzutreffen, Beispiele wären die Haibarbe (Balantiocheilos melanopterus) oder die Rotkopfsalmler (P. georgiae, H. bleheri, H. rhodostomus) oder die Schrägschwimmer der Gattung Thayeria, bei denen noch überwiegend die Kriterien für einen echten Schwarmfisch erfüllt werden. Grundsätzlich handelt es sich um Tierarten, die zeitlebens unter einem recht hohen Feinddruck leben müssen. Alle genannten Arten haben Merkmale, die den Zusammenhalt des Schwarmes fördern, im klassischen Fall der genannten Süßwasserarten sind es bestimmte Zeichnungsmerkmale. "Unechte" Schwarmfische Unechte Schwarmfische zeigen in größeren und großen Gruppen bei Existenz äußerer bedrohender Faktoren Tendenzen zur Schwarmbildung, in kleineren Gruppen oder bei Ausbleiben der Störfaktoren ändern sich die Verhaltensweisen, jedoch sind Tiere nie desorientiert im Raum oder stehen unter einem hohen individuellen Streß. In diese Gruppe gehört wohl die Mehrzahl der Süßwasser-Aquarienfische aus den Ordnungen der Salmler (Characiformes) und Barben (Cypriniformes). Bekannte Beispiele sind die Neonsalmler (Paracheirodon axelrodi, P. innesi und P. simulans), viele Arten der Gattungen Hyphessobrycon, Moenkhausia, Phenacogrammus, Barbus, Puntius und Rasbora, um nur einige zu nennen. Sie erfüllen zahlreiche Kriterien für Schwarmfische, dennoch weichen sie in einigen, wichtigen Punkten von echten Schwarmfischen ab. So ist der Rote Neon (Paracheirodon axelrodi) in Artaquarien selbst in großen Gruppen von mehreren Hundert Tieren eher ein leicht territorial organisierter Fisch, die Individuen verteilen sich im gesamten zur Verfügung stehenden Lebensraum und vor allem die männlichen Tiere grenzen dort kleine Indivudualreviere ab, die sie gegen Artgenossen verteilen. Erst bei Anwesenheit äußerer Störfaktoren, in der Natur wären das Freßfeinde, sammeln sich die Tiere zu einem Schwarm und zeigen dann die Kriterien für Schwarmfische. Gesellig lebende Arten Die klassischen und bekanntesten Beispiele unter den Süßwasserfischen sind die Panzerwelse der Gattungen Aspidoras, Brochis und Corydoras oder eine Reihe von Schmerlen aus der Gattung Botia. Diese Tiere leben in der Natur in Schulen zusammen, die durchaus mehrere Hundert bis Tausend Individuen umfassen können. Die gemeinsamen Aktivitäten umfassen dabei vor allem die Nahrungaufnahme beispielsweise auf offenen, ungeschützten Nahrungsgründen (Sandbänke), wo die Schule oder Großgruppe den Individuen entsprechenden Schutz bietet. Ein weiterer Vorteil für das Zusammenleben in Schulen ist die schnellere Partnerwahl bei der Fortpflanzung. Ansonsten treffen kaum weitere Kriterien für Schwarmfische auf diese Tiere zu. Kolonielebende Arten Eine ethologisch besondere Gruppe sind die in Kolonien lebenden Arten, wobei Kolonie hier vereinfacht als Fortpflanzungsgemeinschaft zu verstehen ist. Die wohl bekanntesten Beispiele unter den Süßwasserfischen finden sich bei den Zwergbuntbarschen der Gattungen Apistogramma und tendenziell Nannacara. Hier bildet ein Männchen ein Großrevier aus, in das sich mehrere Weibchen eingliedern und Unterreviere abgrenzen. Der biologische Vorteil liegt klar auf der Hand, nach außen klar abgegrenzte Lebensgemeinschaft, eine hohe Fortpflanzungswahrscheinlichkeit und Reproduktionsrate sowie insgesamt verringerte Ausfälle durch Verluste an Freßfeinden des Nachwuchses durch die gemeinsame Revierverteidigung im Großen wie im Kleinen. Dies funktioniert so allerdings nur an Standorten, wo ausreichend Nahrung für die Jungfische vorhanden ist. Sind Umbettungen / Umzüge der Population erforderlich, ist diese Evolutionsstrategie von klarem Nachteil gegenüber den Freilaichern. Insgesamt betrachtet stellen die koloniebildenden Arten innerhalb des Kontinuums vom Schwarmfisch zum individuell lebenden Tier sozusagen einen Seitenzweg der Entwicklung dar. Damit soll zu Ausdruck gebracht werden, daß es sich bei Verhaltensmustern wie hier dem Schwarmverhalten, aber auch bei den meisten anderen biologischen Abläufen und Prozesse nie um einfache zweidimensionale Systeme handelt, sondern um mehrdimensionale Systeme mit vielen einwirkenden Faktoren(gruppen). Für das Verständnis versuchen wir die Reduktion auf einfacher zu beschreibende Systeme, man darf aber die Komplexität nie aus den Augen verlieren. Zum Beispiel stellen Höhlenbrüter oder Maulbrüter eigene Seitenzweige in der Evolution der Verhaltensstrategien dar, die auf besondere Umweltbedingungen zurückgehen und die Tiere zur Entwicklung dieser Strategie im Rahmen der Koevolution zwangen. An diesen Ausführungen zeigt sich auch, daß man die Frage nach dem Schwarmfisch eigentlich nicht losgelöst von der Fortpflanzungsstrategie betrachten kann / darf. Zwischen beiden Verhaltensmustern bestehen enge Wechselbeziehungen. Die Fortpflanzungsstrategie beeinflußt oder bedingt große Teile des Sozialverhaltens und umgekehrt. Elternfamilie Die nächste Gruppe in der Abfolge sind die klassischen Elternfamilien, wie wir sie von vielen Buntbarschen her kennen. Ein Paar grenzt ein je nach Art unterschiedlich großes Revier ab und die Elterntiere kümmern sich gemeinsam um den Nachwuchs, wobei es durchaus zu Arbeitsteilung kommen kann und kommt. Das männliche Tier übernehmen wiederholt vorzugsweise die Revierverteidigung, also die Außenabgrenzung des vom Paar besetzten Bezirkes, während sich das Weibchen vermehrt um die Brut kümmert. Allerdings ist diese Verhalten schon wieder ein Sonderfall innerhalb der Elternfamilie. Klassische Beispiele wären der Skalar (Pterophyllum scalare und Pt. altum), der Diskusbuntbarsch (Symphysodon discus und S. aequifasciata), die Arten aus der ehemaligen Großgattung Cichlasoma (heute aufgeteilt in mehrere Gattungen) und weitere. Mutter- oder Vaterfamilie Die logisch nächste Gruppe in dieser Reihe ist die Mutter- oder Vaterfamilie, was heißt, das sich nur ein Partner um die Aufzucht der Jungen kümmert. Die klassischen Beispiele in der Vaterfamilie finden sich bei den Labyrinthfischen, wo die männlichen Tiere das Brutpflegegeschäft (teils als Schaumnestbauer, teils als Maulbrüter) übernehmen und den Geschlechtspartner nicht im Territorium dulden. Einzeln lebende Tiere Die letzte Gruppe sind die solitär lebenden Tiere. Es ist recht schwierig, hier ein einheitliches Schema zu entwickeln, wann sich Tiere zu individuellem Leben ohne direkten oder nur sporadischen Kontakt zu Artgenossen, entwickelt haben. Einer der Faktoren ist die Entwicklung zu Raubfischen aus der Stoß- und/oder Lauerjägergruppe, wie es Hecht oder die Hechtsalmler zeigen. Andere Entwicklungswege finden sich beispielsweise bei Welsen aus der Familie der Harnischwelse (die großen Arten der Gattungen Panaque, Hypostomus, Liposarcus, Glyptoperichthys, um nur einige zu nennen. Auch bei Dornwelsen (Doradidae) oder Fiederbartwelsen (Mochokidae) finden sich solche Entwicklungen. Die Tiere leben als Adulte weitgehend alleine, führen ein offenes oder verstecktes Leben, manche grenzen Reviere ab, andere nicht, alles in allem würde man diese Tiere vom Verhalten her als eher uninteressant einstufen. Vielfach sind unsere ethologischen Kenntnisse gerade bei diesen Arten gering und es ist wiederum kein Zufall, daß so wenig über die Fortpflanzung in Natur und in Gefangenschaft (wenn sie denn mal gelungen ist) bekannt ist. Übergangsformen, zeitlich befristete Schwarmbildung Nicht alle Fische sind ohne Schwierigkeiten in ihrem Sozialverhalten einer der Gruppe zuzuordnen. Es kommt zur Ausbildung von Übergangsformen zwischen den einzelnen Stufen (Beispiele s.o.), es kommt auch zur Ausbildung zeitlich befristeter Gruppenbildung. Dies gilt beispielsweise für Jungfische mancher Buntbarsche, die als juvenile oder subadulte Tiere in Schulen oder Großgruppen zusammen leben, als adulte, fortpflanzungsfähige Tiere jedoch von der Gruppe abgegrenzte Reviere besetzen. Die Diskusbuntbarsche und die Skalare sind hierfür das Paradebeispiel. Außerhalb der Fortpflanzungsperioden in Gruppen organisiert zur Verringerung der statistischen Wahrscheinlichkeit, Beutegreifern zum Opfer zu fallen, grenzen sich Paare zur Fortpflanzung ab und besetzen Reviere. Schwarmbildung bei anderen TiergruppenDie Bildung von Schwärmen ist nicht nur auf Fische beschränkt, sondern kommt auch in verschiedenen Formen und Abstufungen bei anderen Tiergruppen vor. Die biologischen Funktionen wie Verringerung der Chance von Beutegreifern, damit Steigerung der individuellen Überlebenswahrscheinlichkeit, gemeinsames Erschließen von Nahrungsgründen, verbesserte Fortpflanzungswahrscheinlichkeit und andere sind in wechselnder Zusammensetzung und Gewichtung immer anzutreffen. interessant ist dabei, daß das Verhalten des Schwarmes als Superorganismus in seiner Bewegung im Raum gleichen Mustern unterliegt. Ein kleines Programm von Dr. M Reck zur Simulation von Schwarmverhalten findet sich unter http://www.uni-dortmund.de/MNU/1999/499Mechanismen.html. Einige Beispiele für schwarmbildende Tiere:
Es ist natürlich zu berücksichtigen, daß zwischen allen Stufen Übergänge existieren. In der Realität handelt es sich um ein Kontinuum der ethologischen Muster und nicht um ein abgestuftes Modell, wie es hier vorgestellt wird. Insofern gibt es immer Grenz- und Übergangsfälle, bei denen die genaue Einordnung Schwierigkeiten bereitet. Weiterführende Links
Mit freundlicher Genehmigung des Birgit Schmettkamp Verlages, heute liegen die Rechte beim Natur und Tier Verlag GmbH Publiziert in das Aquarium Heft 422 und 423 (08 und 09/2004). |